Mensch mittendrin im Leben, 80 x 100, 2018
Ich brauche gnädige Menschen!
Dass Du, Gott, gnädig bist, hat
man mir reichlich oft gesagt
und ich bin geneigt, es zu
glauben.
Aber wie bekomme ich gnädige
Menschen,
Menschen, die mich nicht nur
nach meinem Nutzwert kategorisieren:
guter Partner,
toller Mensch in seinem Beruf,
wichtig für die Gesellschaft,
ja, auch für die Nachbarschaft.
Aber ich bin nicht nur gut, nicht
immer toll oder wichtig.
Wie bekomme ich gnädige
Menschen,
Menschen, die nicht nur schätzen,
was ich bringen kann,
sondern Menschen, bei denen ich
einfach ich sein darf
in Hochphasen und wenn ich mir
selbst zu viel bin.
Ich brauche Menschen,
die mich nicht an ihren
Vorstellungen messen,
nicht an dem, was man können
sollte und was sie sogar vielleicht können.
Ich brauche Menschen, für die
ich ich sein darf.
Ich kann mich ein bisschen
anstrengen – oder sogar gewaltig,
ich kann mich gehen lassen und
gewaltig durchhängen,
aber letztendlich bleibe ich doch
ich.
Du, anderer Mensch, ich bin nur
ich, erbarme dich meiner!
Wer hört meinen Ruf, wer erhört
ihn?
Schweigen.
Schweigen –
und ein paar schnelle Antworten, die doch wieder zurückgenommen werden, wenn ich zu viel unangenehmes Ich zeige.
und ein paar schnelle Antworten, die doch wieder zurückgenommen werden, wenn ich zu viel unangenehmes Ich zeige.
Dann wieder Schweigen.
Gott, ergreife du jetzt bitte nicht
vorschnell das Wort. Ich hätte gerne eine Antwort von Menschen. Aber deine
Stimme in mir wird immer lauter, Gott:
Du wirst nur gnädige Menschen
finden, wenn du ihnen gnädig bist;
und das kannst du nur, wenn du
dir selbst gnädig bist
– doch dafür gebe ich dir allen Grund.
Du brauchst mich, den gnädigen
Gott,
und dann brauchst du ein
gnädiges Ich
und dann, ja dann …
jkö
8-2018